Der schreckliche Mann
In der Pflege zu arbeiten ist gar nicht so einfach. Ich begann nach der Ausbildung, in einem Pflegeheim zu arbeiten. Ich arbeitete alleine im Erdgeschoss. Alle andere arbeiteten im 1. bis 3. Stock. Ich bekam die Erdgeschoss-Gruppe, weil es 'leichter' war.
An meinem ersten und zweiten Tag in der Arbeit war ich noch begeistert. Aber ich hatte so viel zu tun, dass ich sogar an meinem ersten Tag Kopfschmerzen bekam, weil ich keine Zeit zum Frühstücken und Trinken hatte. An dem ersten bis siebten Tag machte ich nur 10-15 Minuten Pause, es war einfach zu viel. Ich konnte fast nicht sitzen und durchatmen.
Überraschend sagte meine Kollegin, dass ich zu langsam war. Sie sagte, ich könnte eigentlich noch um zwei Bewohner im 1. Stock kümmern. Sie sagte, "ich weiß, du bist neu hier und du hast nur zwei Tage Einarbeitung statt zwei Wochen, aber du musst schneller arbeiten." Da dachte ich, dass sie böse meinte. Ich machte so viel und es war immer nicht genug. Es gab immer Sachen, die ich vergesse zu machen oder keine Zeit mehr zu erledigen.
In dem Pflegeheim gab es ein Bewohner, der laut den Mitarbeitern gegen Ausländer war. Wichtig zu notizen, er hatte keine Demenz. Er war einfach sehr, sehr rassistisch. Die ausländische Mitarbeiter haben unschönste Sachen von ihm erlebt. Es war bekannt.
Der Bewohner hatte einen Katheter, der sein Urin von der Blase durch den Katheterschlauch zum Katheterbeutel ablässt. Der Katheter entzündete und war sogar eiterig. Es tat ihn voll weh. Er schrie und schimpfte die ganze Zeit. Seine Beine waren ganz trocken und er kratzte sie immer, es blutete natürlich und total eklig. Nicht nur das, er sagte, sein rechtes (oder linkes) Bein ist gelähmt und konnte nicht bewegen.
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Bild von Leroy Skalstad auf Pixabay |
Das Problem mit mir war: jedes Mal ich bei ihm war, machte er sehr schlecht mit. Er wollte einfach nicht mitmachen. Und er schimpfte vor Schmerz in fast jeden kleinen Bewegungen. Ich verlor viel Zeit wegen ihm. Ich musste ihn vom Bett zum Rollstuhl bringen. Er meinte, er war 80 Kilo, fast doppelschwer als mein ganz kleiner Körper. Wenn er Stuhlgang machen wollte, dann musste ich ihn vom Rollstuhl zum Nachstuhl bringen, danach wieder zum Rollstuhl oder Bett, wie er wollte. Das Schreien und Fluchen vor Schmerz waren immer dabei. Mein Körper war voller Schwitz. Mein Geduld und meine Knochen sollte das alles ertragen. Es war einfach so schwer bei ihm.
Zwei Mal in zwei verschiedenen Tagen machte er sogar Stuhlgang im Bett. Er meinte, er hatte Durchfall und konnte es nicht halten. Ich musste dann sein Gesäß putzen. Was komisch war: es war kein Durchfall. Er machte den Stuhlgang auch nur ein mal an dem Tag. Ich dachte, wahrscheinlich konnte er es einfach nicht mehr halten. Ich dachte mir, er war zu mir zumindest nicht rassistisch, dann war das schon eine gute Sache.
An meinem vierten Tag musste ich ihn duschen. Das Duschen war nur ein mal in de Woche und es musste erledigt werden. Wir waren schon im Bad und er schrie und schimpfte nur. Ich musste ihn vom Rollstuhl zum Duschstuhl bringen, ich meinte tragen, wisst ihr. Aber er machte so schlimm mit. Er wollte nicht duschen. Ich rief meine Kollegin und erklärte was da los war. Sie sagte mir, mir lasse mal. Dann duschte ich ihn an diesem schönen Tag nicht.
Auch an diesem Tag, als ich noch bei ihm im Bad war, weinte ich. Ich fand die Arbeit so schwer. Wenn ihr meinen letzten, vorherigen Beitrag gelesen habt, dann wisst ihr, dass ich große Träume habe. Ich kam nach Deutschland um weiter zu studieren, meine Träume wahr zu machen, nicht zum Popo-Putzen, bei jemandem, der gar nicht meine Aufgabe erleichtern möchte.
Wenn ich aus einer reichen Familie wäre, hätte ich diesen Job gar nicht machen müsse.
Da, genau am vierten Tag möchte ich von der Arbeit sofort kündigen. Ich dachte mir, ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich muss diesen Bereich einfach verlassen.
Leider ist mein Aufenthaltstitel mit dem Job verbunden. Wenn ich den Job einfach verlasse und keinen anderen passenden Job bekomme, dann würde ich meinen Aufenthaltstitel verlieren.
Ich dachte mir noch mal, ich muss aushalten. Das ist nur vorübergehend. Ich kann das machen.
Ich ging zu einer Oma zum Essen geben. Die gute Oma hat schwere Demenz. Sie aß manchmal sehr langsam, das Essen blieb im Mund und sie vergaß vielleicht zu kauen und schlucken. Während der Essen-Gabe kamen meine Tränen wieder raus. Ich war so traurig.
Die Oma aß langsamer und die Zeit lief weiter. Ich sagte ihr, "Frau Rosctock (Name verändert), essen Sie bitte schneller, ich habe keine Zeit." Die Tränen kamen immer mehr und Frau Rosctock guckte mich nur zu.
Niemand in der Arbeit wusste, dass es an diesem Tag für mich nicht erträglich war.
In der nächsten Woche kam der nette Bewohner wieder zum Duschen dran. Ich konnte mir schon vorstellen, was für Szene im Bad wieder erwartet. Das war schlimmer, liebe Leute.
Ich musste ihn vom Rollstuhl zum Duschstuhl tragen. Er machte so schlecht mit, dass ich ihn nicht tragen konnte und ich ließ ihn vom Rollstuhl auf dem Boden langsam runtergehen. Die Tränen kamen fließend. Ich ging zum ersten Stock, um Hilfe zu bekommen. Meine Kolleginnen waren in der Pause.
Die Kollegin, die mir half, konnte nicht verstehen warum ich den Bewohner mit meiner eigenen Kraft tragen muss. "Er kann doch stehen!" sagte sie mir. Was???
Wir brachten den Bewohner vom Boden zum Duschstuhl. Meine Kollegin ging raus vom Bad und ich fing an, den Opa zu duschen. Die Tränen begannen wieder zu fließen. Langsam, mein Schluchzen war zu hören. Ich fing an lauter zu schluchten. Ich konnte nicht mehr halten. Der Opa fragte mich, "warum weinen Sie?"
Fragst du mich jetzt, warum ich weine?
Ich weinte einfach bis zum Ende.
Ich holte wieder eine Kollegin, um mir den schrecklichen Opa im Rollstuhl zu bringen. Meine Kollegin zeigte mir, dass er stehen konnte. Sie sagte ihm einfach, "halten Sie bitte am Waschbecken fest und aufstehen."
Der Opa, dieser Bewohner, stand auf einfach so ohne Hilfe und meine Kollegin machte seine Hose zu. Und fertig.
Diese Kollegin von mir sah meine Tränen über meine Maske und hörte mein Schluchzen. Nach der Szene ließ sie mich Pause machen. Sie kam wieder zu mir und erklärte, der Bewohner konnte eigentlich stehen. Dank meiner sehr kurzen Einarbeitung bekam ich manche wichtige Informationen nicht, besonders die Sachen über ihn.
Meine Kollegin erzählte mir weiter, er machte alles zu mir mit Absicht. Auch über die verschmierte Stuhlgänge. Und endlich sagte sie, "du musst nicht mehr zu ihm gehen, auch wenn der klingelt, lass es einfach."
Wegen dieser Szene hatte ich endlich eine genüge Zeit, Pause zu machen, mein Frühstück (fast im Mittag) zu essen und sitzen.
An dem nächsten Tag hatte ich frei und ich konnte mich zu Hause ausruhen. Am Wochenende schaffte ich und ich musste nicht mehr im Erdgeschoss alleine arbeiten. Ich bekam nur Bewohner, die im 1. Stock wohnten.
Nach einer (oder zwei) Woche verstarb der sehr nette Bewohner.
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